Was ist ein soziales Erhaltungsgebiet (bzw. Milieuschutz)?
Der Milieuschutz ist eine Verordnung bzw. Satzung (nur in den Flächenstaaten), das verhindern soll, dass sich die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem bestimmten Gebiet durch Verdrängung aufgrund von teuren Modernisierungsmaßnahmen, Veränderungen der Wohnungsstruktur oder gar die Umwandlung von Wohnungen in Gewerbeflächen verändert.
Ziel ist es, dass die aktuellen Bewohner nicht durch Aufwertung von Mieten verdrängt werden und in Ihrer Nachbarschaft wohnen bleiben können. Diese Infrastruktur entwickelt sich in der Regel im Laufe der Jahre zusammen mit den Bewohnern eines Ortes und hat normalerweise Mühe, mit einem schnellen Austausch der Wohnbevölkerung Schritt zu halten. Dabei handelt es sich jedoch um ein rein städtebauliches Instrument, das nicht dem Schutz einzelner Mieter dienen soll: Es bietet vielmehr einen wirksamen Schutz vor allem für bestehende Wohnungen.
Das soziale Erhaltungsrecht soll nicht nur klassische "Luxussanierungen" verhindern: Es ist viel strenger und schreibt beispielsweise vor, welche Sanierungsmaßnahmen zulässig sind. Da der Wohnungsmarkt zunehmend in gewissen Gebieten angespannter wird, steigt mit der Attraktivität einer Wohnung auch der Wettbewerb um sie. Dadurch können die Mieten steigen, was die Auswahl an verfügbaren Wohnungen für die Wohnbevölkerung einschränkt. Ziel des Milieuschutzes ist es also, zu verhindern, dass Menschen nicht nur aus ihren Wohnungen, sondern auch aus ihren Wohnvierteln verdrängt werden. Dies betrifft meistens Menschen, welche bereits seit vielen Jahren in diesen Vierteln wohnen. Es wird dann auch häufig von Gentrifizierung gesprochen.
Gibt es Milieuschutz nur in Berlin und Hamburg?

Nein, einen Milieuschutz gibt es deutschlandweit, auch wenn häufig in diesem Zusammenhang über Berlin gesprochen wird. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass es sich in Berlin und Hamburg um Milieuchschutzverordnungen handelt und in allen anderen Städten um Satzungen.
Welche Nebenwirkungen hat ein solches Erhaltungsgebiet?
Aber wir müssen uns auch fragen, was das bedeutet: Wenn eine Wohnung nicht verbessert werden kann, unter welchen Bedingungen werden dann die Bewohner zurückgelassen? Grundsätzlich ist in vielen Schutzgebieten die Anbringung von Fahrstühlen verboten, was es älteren oder behinderten Menschen aufgrund der Barrierefreiheit erschwert.
In Bezug auf die energetische Sanierung ist eine Verbesserung, die über dem aktuell geforderten Standard liegt, nicht zulässig. Dies betrifft u.a. die Dicke des Dämmmaterials an der Fassade oder die Verglasung der Fenster.
Im Hinblick auf die Zielstellung des Umweltbundesamtes "Klimaneutrale Bestandsgebäude 2050" bieten die aktuelle Vorgaben für Milieuschutzgebiet daher einen akuten Diskussionsbedarf auf vielen (politischen) Ebenen.
Worauf bezieht sich der Milieuschutz?
Die Bezirksämter oder Kommunen haben besonders in Berlin die Aufgabe zu prüfen, ob Sanierungsmaßnahmen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem Milieuschutzgebiet gefährden. Wird festgestellt, dass die Sanierungsmaßnahmen nicht mit dem Schutzziel der Erhaltungsverordnung vereinbar sind, werden sie abgelehnt.
Diese Prüfung erfolgt nach bestimmten Maßnahmen, ein Auszug einiger solcher Maßnahmen finden Sie hier:
- Änderung baulicher Anlagen, dazu gehören Grundrissänderungen, Wohnungsteilungen oder -zusammenlegungen und jede Art von Modernisierung wie Sanitäranlagen, Fußböden, Aufzüge, Balkone...
- Rückbau von baulichen Anlagen, insbesondere Abriss von Gebäuden
- Umnutzung baulicher Anlagen, wie z. B. die Umwandlung traditioneller Wohnungen in Ferienwohnungen, Eigentumswohnungen oder sogar Gewerbeflächen.
- Verkauf von Grundstücken
Innerhalb eines Milieuschutzgebietes sind alle diese Maßnahmen antragspflichtig. Ohne Genehmigung darf mit dem Bau nicht begonnen werden, und dies gilt auch für leer stehende Wohnungen, selbst genutzte Wohnungen und Nichtwohngebäude. Die einzige Ausnahme, für die keine Genehmigung erforderlich ist, sind reine Reparaturmaßnahmen. Im Zweifelsfall sollten Sie sich immer von einem Anwalt beraten lassen. Wird ohne denkmalschutzrechtliche Genehmigung gebaut, können die Arbeiten eingestellt und auch der Rückbau angeordnet werden. Außerdem stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Geldbußen bis zu 30.000 € geahndet werden kann.
Was ist zulässig beim Milieuschutz?
Eine vollständige Aufzählung aller zulässigen Nutzungen ist nicht möglich, da es zahlreiche Ausnahmen gibt, die im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Generell gilt, dass der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen sowie die Umnutzung innerhalb eines sozialen Erhaltungsgebietes immer einer Genehmigung nach § 173 BauGB bedürfen. Dies gilt ausnahmslos sowohl für bewohnte als auch für leer stehende Wohnungen und unabhängig vom Eigentümer.
Finden Sie hier einen Auszug für mögliche Genehmigungen vom Bezirksamt Berlin-Charlottenburg (weitere Infos finden Sie beim Bezirksamt):
- Erstmalige Errichtung einer Zentralheizung mit Warmwasserversorgung
- Erstmalige Errichtung eines Bades (je nach Ausbaustandard)
- Grundausstattung mit Sanitär-, Wasser- und Elektroinstallationen, Antennen-, Kabelfernseh- und Gegensprechanlagen
- Obligatorische energetische Sanierungen (bspw. Modernisierung der Wärmedämmung)
- Dachgeschossausbau und -neubau (sofern es den baurechtlichen Bestimmungen entspricht)
Dagegen wird für folgende Maßnahmen in der Regel keine Genehmigung erteilt:
- Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen
- Unnötige Grundrissänderungen
- Zusammenlegung oder Teilung von Wohnungen
- Anbau von Balkonen, Wintergärten, Loggien oder zweiten Terrassen
- Einbau eines zweiten Badezimmers oder WCs
- Aufwendige Badsanierungen
Jedes dieser Szenarien unterliegt jedoch immer einer gesonderten Rechtfertigung und Einzelfallprüfung, sodass es schwer ist, klar zu sagen, was sicher zulässig ist und was nicht. Denken Sie aber daran, dass Änderungen, die der Anpassung an den heutigen Mindestlebensstandard dienen, in der Regel zulässig sind.
Wie kann ich herausfinden, ob meine Wohnung in einem geschützten Gebiet liegt?
Eine schnelle Suche im Internet gibt Ihnen in der Regel die Antwort: Sie können die Stichworte "Milieuschutz" mit Angabe Ihres Stadtteils verwenden. In Berlin erhalten Sie mittels des FIS-Brokers eine schnelle und gute Auskunft, ob sich das Objekt im Erhaltungsgebiet befindet. Aber um Zweifel zu vermeiden, stehen Ihnen die Stadtplanungsämter als zuverlässige Ansprechpartner zur Verfügung. Bestmöglich ziehen Sie auch einen Anwalt zur Hilfe, der Ihnen weitaus mehr Informationen geben kann.
Wie wird ein Schutzgebiet eingerichtet?
In Berlin kann im Prinzip jeder einen Antrag stellen, egal ob Bürger, ein Mitglied der Bezirksverordnungsversammlung (BVV) oder ein Parteimitglied. In einer Bezirksverordnetenversammlung wird dann entschieden, welche Bezirke und Gebiete im Rahmen einer Voruntersuchung untersucht werden sollen.
Bestätigt sich bei dieser ersten Untersuchung der Verdacht, entscheidet die BVV über die konkrete Untersuchung des Gebietes. Ab diesem Zeitpunkt, also vor der endgültigen Entscheidung, kann die Verwaltung Anträge auf bauliche Veränderungen, Nutzungsänderungen und Teilungen für einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten aufschieben oder untersagen.
Im Anschluss daran wird eine Umweltprüfung mit pauschalen Erhebungsbögen durchgeführt. Drittfirmen werden beauftragt, entsprechende Gutachten zu erstellen, auf deren Grundlage die Erhaltungssatzung auf BVV-Ebene erlassen wird. Sobald diese im Amtsblatt veröffentlicht ist, tritt die Verordnung in Kraft.
Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Immobilien Experten Talk hier.
Die guten und schlechten Seiten des Milieuschutzes
Es ist zwar richtig, dass die soziale Erhaltung den Bewohnern eines bestimmten Gebiets in gewisser Weise helfen kann, doch ist diese Praxis nach wie vor höchst umstritten. Die Zeitung "Welt" hat sich in einem Artikel dagegen ausgesprochen, dessen Titel nicht viel Raum für Zweifel an ihrer Position lässt: "Die fatalen Folgen des deutschen Milieuschutzes".
In dem Artikel wird Michael Schick, Präsident des IVD Immobilienverband Deutschlands, zitiert, der Erhaltungssatzungen für einzelne Stadtteile als völlig kontraproduktiv bezeichnet. Mit einer solchen Verhinderungspolitik würden die sozialen Verhältnisse zementiert und die Quartiere nicht weiterentwickelt, sagt er. Er weist auch darauf hin, dass in einer Stadt wie Berlin auch Luxuswohnungen gefragt und derzeit ausverkauft sind: Das muss bedeuten, dass der Schutz für begehrten bezahlbaren Wohnraum zu lasten von begehrtem Luxuswohnraum geht.